Die 18-Jährige Quirine Eijkenboom vom Münchener GC ist schon jetzt die beste Deutsche in der Amateur-Weltrangliste. Mit ihrem Wechsel in die US-College-Liga nimmt sie den nächsten Schritt in Richtung Weltspitze.
Wer rund 60 Kilometer süd-östlich von San Francisco das Meer rechts liegen lässt und ins Hinterland von Palo Alto einbiegt, gerät in eine besondere Welt. Wer genau hinsieht, kann in dieser auf 3.310 Hektar angelegten Welt, die der weitläufige Campus der Stanford Universität bildet, die ehemalige US-Außenministerin Condoleeza Rice zu einer ihrer Vorlesungen gehen sehen. Oder selbst einem der 19 Nobelpreisträger lauschen, die derzeit an der Elitehochschule lehren. Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin haben hier gelernt, ihr größter Konkurrent Yahoo wird heute von der Stanfordabsolventin Marissa Mayer geleitet. Viele bekannte Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer haben in Stanford studiert. Doch neben seiner intellektuellen Exzellenz ist Stanford auch auf einen Mann stolz, der die Welt nicht mit einem Computer, sondern mit einem Golfball eroberte. ‚Die Zeit in Stanford‘, wird Tiger Woods auf der Universitäts-Homepage zitiert, ‚war eine der besten meines Lebens.‘ Denn neben der Tatsache, dass er als Mitglied der ‚Cardinals‘ – wie die Stanford-Teams heißen – Auszeichnungen einheimste und eine Vorliebe für rote Shirts entwickelte, lernte Woods, dass es außer ihm auch andere gibt, die etwas ganz besonders gut können. ‚Es war intellektuell stimulierend, die ganze Zeit herausgefordert zu werden‘, sagte Woods, ‚Ich hatte keine Chance, mit einigen der Leute dort zu konkurrieren. Sie waren dermaßen klug. Ein Kerl hatte ein fotografisches Gedächtnis, ein anderer konnte aus einer Skizze einen Computer bauen. In Stanford Golf zu spielen, hat mich gelehrt, die Fähigkeit zum Zeitmanagement zu verstehen. Um es hier zu schaffen, musst du dich und deine Zeit organisieren. Das war eine der besten Sachen, die ich gelernt habe.‘
‚Angesichts unserer Möglichkeiten in Stanford erwarten wir, dass Quirine hier aufblüht.‘ Anne Walker, Stanford University
Auch Quirine Eijkenboom möchte sich weiterentwickeln. Als Person und natürlich auch als Golferin. Die aktuelle Deutsche Jugendmeisterin gilt als eines der vielversprechendsten Talente in Europa. Schon jetzt ist die 18-Jährige als beste Deutsche Achte der europäischen Amateur-Rangliste, auf der Amateur-Weltrangliste wird sie auf Platz 20 geführt. ‚Ich baue definitiv auf sie‘, sagt Bundestrainer Stephan Morales über die Starnbergerin, die im deutschen Juniorteam steht und nächstes Jahr zu den Frauen aufrücken soll. Eijkenboom hat schon einige Erfolge vorzuweisen, darunter die Deutsche Lochspielmeisterschaft 2011, einen 3. Platz bei der French Lady Junior Championship 2012 und einen 3. Platz bei den Girls British Open 2012. Doch die Junior Ryder Cup-Starterin möchte nach ihrem Abitur an der Munich International School in Starnberg weiter vorankommen und hat sich entschlossen, sich auf die Herausforderung in Stanford einzulassen.
Von August an wird die gebürtige Niederländerin, deren Vater am europäischen Patentamt in München arbeitet, mit einem Vollstipendium für das Golfteam ein Studium aufnehmen. ‚Ich bin begeistert‘, meinte Stanfords Cheftrainerin Anne Walker im November, nachdem Eijkenboom ihre Zusage gegeben hatte. Die junge Deutsche werde das Team ’stärker und tiefer machen und einen Zugewinn an internationaler Erfahrung bringen‘. Vor allem aber, so Walker, ‚erwarte ich mir, dass sie hier angesichts unserer Möglichkeiten aufblüht.‘
Die Möglichkeiten, die Walker meint, liegen am südwestlichen Rand des Geländes, das in seinen Dimensionen ein Landstrich für sich ist. Denn in die ansteigenden Hügel des Hinterlandes schmiegt sich nicht nur der hochklassige Universitätseigene 18-Loch-Platz. Nein, daneben erstreckt sich auf rund 7,5 Hektar Stanfords Siebel-Varsity-Trainingszentrum samt einem sechs-Lochplatz, der auf seinen Bahnen und Grüns alle nur erdenklichen Hindernisse bereithält. Nicht zu vergessen die sechs exquisiten Klubanlagen im weiteren Umfeld, auf denen das Studententeam regelmäßig abschlägt.
Für tägliche Herausforderungen dürfte also gesorgt sein, was Eijkenboom nur gefällt. Schließlich hatte sie zwar in Starnberg das Privileg, unweit von zwei Golfplätzen zu leben. Im vergangenen Herbst aber durfte sie erfahren, was es heißt, sich auf einem Weltklasseplatz mit den Besten zu messen. Ende September war Eijkenboom die einzige Deutsche im gemischt-geschlechtlichen zwölfköpfigen Team Europa, das gegen die USA beim Junior Ryder Cup 2012 im Olympia Fields Country Club in Illinois antrat. Zwar musste Eijkenboom mit Europa eine Niederlage hinnehmen, doch das Erlebnis danach entschädigte für vieles: im Anschluss an die Junioren kämpften die weltbesten Männer im benachbarten Medinah Country Club um den Ryder Cup – und Eijkenboom durfte dort mitsamt ihrem Juniorteam nicht nur eine 10-Loch-Runde spielen, sondern beim historisch knappen Sieg durch Martin Kaymer hautnah dabei sein.
Wie nah, ist auf einem Erinnerungsfoto zu sehen, das sie mit dem damaligen Weltranglistenersten Rory Mcilroy zeigt: Beide lächeln in die Kamera, und hinter ihren Beinen ist die dünne weiße Schnur zu sehen, die auf dem Gelände die Besucher von den Mannschaften trennt. Dass Eijkenboom dabei auf McIlroys Seite steht, ist nicht der Bitte um ein Foto geschuldet: Es gehört zur Belohnung für die Junior-Teams, dass sie während des Wettkampfs der Großen abseits der Besucherströme mit dem Team über das Gelände gehen dürfen – ‚Beyond the rope‘, hinter der Linie also. Seitdem nennt Eijkenboom den Medinah Country Club ihren Lieblingsplatz, noch vor dem in St. Leon Rot, den sie zuvor am Schönsten fand. Wer erwachsen wird, guckt eben vermehrt über den Tellerrand des bisher erlebten: aus dem Mädchen wird eine Frau, aus der Schülerin eine Studentin, und aus der Amateurgolferin bald ein Profi? ‚Wenn ich gut genug bin, will ich Profi werden‘, sagt Eijkenboom, ‚aber das ist schwierig.‘ sie ist intelligent genug, um zu wissen, dass im weit weniger üppig ausgestatteten Frauengolf nur für einige wenige das große Geld zu verdienen ist. Sollte es also mit dem Profigolf später nichts werden, will Eijkenboom auf alle Fälle ein gutes Studium in der Tasche haben.
Natürlich will ich Profi werden. Aber ein gutes Studium in der Tasche zu haben, ist deutlich wichtiger!
Dass sie bereit ist, sich den hohen Anforderungen in Stanford zu stellen, da ist sich Bundestrainer Morales sicher: ‚Quirine ist sehr gut organisiert und fokussiert, auch jetzt schon bekommt sie es gut hin, zwischen den Turnieren nicht ihr Abitur zu vernachlässigen. Sie hat sich nicht von ungefähr Stanford ausgesucht mit dieser Verbindung aus exzellenter Lehre und hochklassigem Sport.‘ Dass eine seiner Besten jetzt bald außer Reichweite ist, macht ihm dennoch etwas Sorgen: ‚Natürlich ist es mir als Bundestrainer lieber, wenn eine Spielerin in der Nähe ist.‘ Auf der anderen Seite ist er gespannt, welchen Einfluss die USA und die dortige Golfszene auf Eijkenboom nehmen werden. Die 18-Jährige ist bekannt für ihre Athletik und ihr ökonomisches Spiel, also für ein gutes Gespür, wann auf dem Platz Kraft verlangt ist und wann nicht. ‚Quirines langes Spiel ist schon sehr gut, und das wird auch immer wichtiger im Frauen-Golf‘, sagt Morales. ‚aber ihr Putten ist ausbaufähig, da vergibt sie oft einige Schläge, um noch tiefer zu spielen.‘ Aber auch Tiger Woods hat mal so angefangen. ‚Geschadet hat es ihm nicht‘, sagt Morales und lacht.
Autor: Kathrin Steichbichler