Michael Stich gehört durch seinen Wimbledonsieg 1991, die ATP-Weltmeisterschaft, 16 weitere Titel auf der ATP-Tour und den Olympiasieg im Doppel zu den erfolgreichsten deutschen Sportlern aller Zeiten. 1993 führte Stich das deutsche Davis Cup-Team fast im Alleingang zum Titel. Und er ist der einzige Deutsche, der bei allen ATP-Turnieren auf heimischem Boden triumphierte. Stich stand 1993 auf Rang zwei der Weltrangliste. Im Golfmagazin ‚GREEN‘ spricht Michael Stich unter anderem über sein soziales Engagement. Erst kürzlich konnten bei einem Charity-Golfturnier, an dem er auch selbst teilnahm, wieder 12.000 Euro zugunsten der Michael Stich Stiftung eingesammelt werden. Zudem schildert Michael Stich seine interessanten Perspektiven im Hinblick auf erfolgreiches Sportmarketing. Warum engagieren sich eigentlich immer mehr Unternehmen im Sport, sei es Tennis oder Golf, um ihr Image zu schärfen und sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen?
green Herr Stich, lassen Sie uns zu Beginn unseres Gespräches über Tennis reden. Momentan gibt es ja international die Tendenz, ehemalige Champions als Trainer zu verpflichten. Djokovic hat Becker geholt, Federer lässt sich von Stefan Edberg coachen. Können Sie sich prinzipiell vor- stellen, als Coach an der Seite eines Topspielers zu arbeiten?
STICH Es gibt nur wenige Spieler, mit denen ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen könnte – Roger Federer wäre so ein Spieler oder auch Andy Murray. Wenn mich beispielsweise Rafael Nadal ansprechen würde, wäre dies zwar eine Ehre für mich, aber ich könnte ihm nicht helfen, weil sich sein Spiel sehr von meinem unterscheidet. Auch hätte ich generell kein Interesse daran, 16 Wochen pro Jahr um die Welt zu reisen, die Zeiten sind für mich defintiv vorbei. Außerdem habe ich auch noch genügend andere Verpflichtungen.
green Sie haben 1994, noch zu Ihrer aktiven Zeit, die Michael Stich Stiftung für HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Kinder gegründet, mit der Sie dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum feiern. Wie ist es dazu gekommen?
STICH Ende 1992 habe ich in München den damaligen Grand Slam Cup gewonnen und dafür ein Preisgeld von zwei Millionen Dollar erhalten. Nach dem Finale wurde ich in der Pressekonferenz gefragt, was ich mit dem Geld im Bereich Charity machen wollte. Das war für mich der Anstoß, meine eigene Stiftung zu gründen. Ich selbst habe in meinem Leben sehr viel Glück gehabt und wollte davon einfach etwas zurückgeben.
green Und warum das Thema HIV / AIDS?
STICH Damals wusste man noch sehr wenig über diese Krankheit, und auch ich war genauso vorurteilsbelastet wie viele andere. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man eine andere Sichtweise auf das Thema HIV bekommt, wenn man sich Wissen aneignet. In der Wahrnehmung der Menschen hat die Krankheit damals wie heute noch immer etwas Unreines und Schmutziges. Das ist absolut falsch, und deshalb ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit auch die Aufklärung. Leider werden Betroffene aufgrund von Halbwissen und Vorurteilen häufig noch immer ausgegrenzt. Dem möchten wir entgegenwirken, denn das haben sie nicht verdient.
green ‚Lohnt‘ sich soziales Engagement?
STICH Aus meiner Sicht ist die Antwort ein ganz klares ‚Ja‘. Ich könnte mir mein Leben ohne die Stiftung nur noch schwer vorstellen, denn es ist mir ein Bedürfnis, anderen Menschen zu helfen. Als ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen, wurden HIV-infizierte und an AIDS erkrankte Kinder häufig nicht älter als 18 Jahre. Heute sind Medizin und Forschung durch neue Therapien und Medikamente zum Glück weiter. Viele HIV-Infizierte können 70 Jahre und älter werden. Diese Entwicklung erfüllt mich mit Stolz und Freude. Und sie zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
green Als Stiftungsgründer und Sportler mit sozialer Verantwortung sind Sie mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem auch mit dem Bundesverdienstkreuz. Was bedeuten Ihnen diese Ehrungen?
STICH Natürlich freut es mich, wenn meine Stiftungsarbeit positive Resonanz und Anerkennung findet. Aber ich muss an dieser Stelle auch ganz klar sagen, dass ich zwar derjenige bin, der im Vordergrund steht. Alleine würde ich die Arbeit jedoch gar nicht schaffen. Deshalb bin ich froh, ein tolles Team zu haben, das mich unterstützt.
green Sie mussten 1997 mit gerade einmal 29 Jahren Ihre Profi-Laufbahn beenden. Das Karriere-Ende eines großen Sportlers ist manchmal nicht so einfach. Viele fallen erst einmal in ein ‚Loch‘, wissen nichts mit sich anzufangen oder treten nur noch in Shows und bei Preisverleihungen auf. Wie war das bei Ihnen?
STICH Nach meinem Halbfinal-Aus in Wimbledon 1997 habe ich fünf Jahre lang keinen Tennisschläger angefasst. Dies war aber eine bewusste Entscheidung. Schon während meiner aktiven Zeit habe ich mich auch für das Leben außerhalb des Tennisplatzes interessiert und war offen für andere Dinge. Deshalb wusste ich auch immer, etwas mit meiner Zeit anzufangen. Und durch die Gründung meiner Stiftung hatte ich eine Aufgabe, die mich erfüllte und befriedigte.
green In der Wirtschaft werden immer wieder profilierte Köpfe gesucht, die neue Denkanstöße geben und auch mal deutlich ihre Meinung sagen. Sie gelten als sehr gradliniger Mensch, der sich nicht vor unbequemen Worten scheut. Hätte Sie nicht auch eine Karriere ausschließlich ‚jenseits des Tennisplatzes‘ gereizt?
STICH Dies ist eine hypothetische Frage. Ich bin extrem dankbar für meine Tenniskarriere, denn sie ermöglichte mir einen Blick auf andere Länder, Kulturen und Sitten. Dies kommt mir auch heute noch zugute. Ich denke, dass ich noch jung genug bin, um auch jetzt noch Dinge anzupacken und zu gestalten. Zumindest finde ich es sehr reizvoll, vor allem weil ich immer noch etwas dazulerne, beispielsweise, dass bei aller Direktheit manchmal auch Diplomatie angebracht ist.
green Sie sind seit 2009 Direktor der bet-at-home Open am Hamburger Rothenbaum und haben die Veranstaltung auf einen sehr erfolgreichen Weg gebracht. Was sind beim Hamburger Turnier die größten Herausforderungen?
STICH Unser Ziel ist es, das größte deutsche Tennisturnier in Hamburg zu halten und es betriebswirtschaftlich auf gesunde Beine zu stellen. Dazu gehört, Überzeugungsarbeit für den Tennissport zu leisten und zwar sowohl auf politischer und gesellschaftlicher Ebene als auch bei der Akquisition und der Kooperation mit unseren Sponsoren und Partnern. Und natürlich stellt die Umsetzung des Turniers mit allem, was dazu gehört, jedes Jahr eine neue Herausforderung dar, denn wir möchten uns immer weiter verbessern.
green Der Erfolg eines Sport-Sponsorings, z.B. zur Imagepflege oder Kundenbindung, lässt sich nur schwer auswerten. Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht dafür, sich im Spitzensport zu engagieren?
STICH Sport hat die einzigartige Fähigkeit, Emotionen zu wecken. Es ist meist der Kampf ‚Mann gegen Mann‘, der die Menschen immer wieder in seinen Bann zieht, egal ob jung oder alt. Sport ist eine verbindende soziale Komponente, durch die jeder überall auf der Welt den Traum des Gewinnens leben kann.
green Sponsoring nimmt im klassischen Marketing neben Print-Werbung oder TV einen immer größeren Stellenwert ein. Da ist es für ein Unternehmen vermutlich egal, in welcher Sportart Sponsoring betrieben wird.
STICH Das sehe ich anders. Die Glaubwürdigkeit darf keinesfalls auf der Strecke bleiben. Hauptsportarten wie Fußball oder Tennis, die von vielen Menschen betrieben werden, stoßen von Haus aus auf großes Interesse. Bei Randsportarten ist es schon schwerer. Hier funktioniert Werbung dann, wenn nationale Helden aktiv sind und Erfolg haben. Grundsätzlich muss sich ein Unternehmen immer fragen, was es erreichen möchte. Das Sportsponsoring sollte den Zielen des Unternehmens gerecht werden. Und es sollte sowohl zur Unternehmensphilosophie als auch zur Zielgruppe passen.
green Last but not least: 1991 haben sie als bislang letzter Deutscher Wimbledon gewonnen. Was zeichnet einen wahren Champion aus?
STICH Harte Arbeit, ein gewisses Talent und der Glaube an sich selbst, dass man alles erreichen kann.
green Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Michael-Stich-Stiftung
GUTES TUN IST SEIN PROGRAMM
Die Michael Stich Stiftung wurde 1994 von Michael Stich gegründet. Sie ist als mildtätige und gemeinnützige Stiftung anerkannt und setzt sich für HIV-infizierte, -betroffene und an AIDS erkrankte Kinder ein. Da die Zahl der infizierten Menschen weltweit stetig ansteigt und das Bewusstsein über die Krankheit sowohl aus den Medien als auch aus den Köpfen der Menschen immer mehr zu verschwinden scheint, hat es sich die Stiftung im Jahr 2006 zur Aufgabe gemacht, neben der Direkthilfe auch die Prävention und Aufklärung im Bereich HIV und AIDS aktiv mitzugestalten. Stiftungsvorstand ist der Stifter selbst. Aufsichtsorgan ist der Stiftungsrat, der neben satzungsgemäßen Aufgaben auch Empfehlungen an den Vorstand gibt. Da Vorstand und Stiftungsrat ehrenamtlich arbeiten, gelingt es, den Verwaltungsaufwand gering zu halten.
Die Michael Stich Stiftung finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Diese werden durch den Stifter selbst sowie von Einzelpersonen, Vereinen und Unternehmen geleistet. So soll das Stiftungsvermögen erhalten und durch Zuwendungen vergrößert werden. Damit sollen Kapitalerträge sichergestellt und Aufgaben und Zielsetzung der Michael Stich Stiftung langfristig gesichert werden.
Der Artikel (S.68 bis 71) erschien im Golfmagazin ‚green‘ – Das Magazin des Bayerischen Golfverbandes. Das Interview führte Volker Hoffmann